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Strafrecht

Urteil gegen Berliner "Drogenarzt" aufgehoben

Urteil gegen Berliner "Drogenarzt" aufgehoben - BGH, Beschluss vom 11.01.2011 - 5 StR 491/10

Sachverhalt:
Der Angeklagte war ein auf psychotherapeutische Behandlungen spezialisierter Arzt. Er führte sog. psycholytische Sitzungen durch, bei welchen die Patienten durch Drogen in ein "Wachtraumerleben der Objektumgebung" versetzt wurden. "Im September 2009 führte der Angeklagte eine Intensivsitzung durch, in deren Rahmen sich sechs Gruppenmitglieder zur Einnahme des Rauschgifts MDMA bereiterklärten. Wegen eines ihm unterlaufenden Wiegeversehens übergab er an diese jedoch mindestens die zehnfache Menge der beabsichtigten Menge." Durch dieses Versehen verstarben 2 Gruppenmitglieder an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis an MDMA. Das Landgericht Berlin hatte den Angeklagten u.a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt und ihn mit einem dauerhaften Berufsverbot belegt.

Die Entscheidung des BGH (aus der Pressemitteilung 19/2010):
Der BGH hat nun das Urteil des LG Berlins aufgehoben und es an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Durch die freiwillige Drogeneinnahme der Gruppenmitglieder muss der Angeklagte eine Handlungsherrschaft gehabt haben. Es muss also noch geklärt werden, inwieweit der Wiegefehler zu einer Vorsatztat oder einer Fahrlässigkeit führen.

Pressemitteilung des BGH vom 01.02.2011 - Nr. 19/2010

Zitronensafturteil - Risikoaufklärung

Urteil im "Zitronensaftfall" aufgehoben - Risikoaufklärung

Sachverhalt:
Der Angeklagte Arzt ist von der Heilwirkung des Zitronensaftes als Wunddesinfektionsmittel überzeugt. Er unterlies es aber, die Patienten über das Einbringen, von eben solchen, in die Wunde aufzuklären.

Leitsatz der Bearbeiterin:
"Birgt ein ärztlicher Heileingriff das Risiko, dass sich in seiner Folge eine weitere behandlungsbedürftige Erkrankung oder körperliche Schädigung einstellt, so muss der Arzt den Patienten vor dem ersten Eingriff nur dann über die Art und die Gefahren einer bei Verwirklichung des Risikos notwendigen Nachbehandlung aufklären, wenn dieser ein schwerwiegendes, die Lebensführung eines Patienten besonders belastendes Risiko anhaftet, etwa der Verlust eines Organs."

Pressemitteilung zum Urteil des BGH vom 22.12.2010 Az.: 3 StR 239/10

Berechtigter Behandlungsabbruch

Zum rechtfertigenden Behandlungsabbruch auf der Grundlage des Patientenwillens nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 25.06.2010 (2 StR 454/09)

Auf der Grundlage der Senatsentscheidung vom 25.06.2010 hat der BGH in seiner Entscheidung folgendes nochmals verdeutlicht:

"Ein rechtfertigender Behandlungsabbruch auf der Grundlage des Patientenwillens" kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die "Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB" beachtet und eingehalten worden sind.

"Gemäß § 1901a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist nur der Betreuer bzw. Bevollmächtigte (§ 1901a Abs. 5 BGB) befugt, die Übereinstimmung der Festlegungen in der Patientenverfügung mit der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation des Patienten zu prüfen und auf dieser Grundlage dem Willen des Patienten gege-benenfalls Geltung zu verschaffen."

"Darüber hinaus setzt die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch gemäß § 1901b Abs. 1 BGB zwingend ein Zusammenwirken von Betreuer bzw. Bevollmächtigtem und Arzt voraus. Danach prüft der behandelnde Arzt in eigener Verantwortung, welche ärztliche Behandlung im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist und erörtert dies mit dem Betreuer unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die zu treffende Entscheidung."

Beschluss des 2. Strafsenats vom 10.11.2010 - 2 StR 320/10

Bestechlichkeit und Bestechung bei Vertragsärzten

Vertragsärzte und die Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB

Nach § 299 StGB macht sich ein Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes der Bestechung oder Bestechlichkeit strafbar, wenn er im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, § 299 Abs. 1 StGB.

Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge, § 299 Abs. 2 StGB

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat nun entschieden, dass Vertragsärzte Beauftragte im Sinne des § 299 StGB sind.

Vereinbarungen zwischen, beispielsweise, Apothekern und niedergelassenen Ärzten, die darauf abzielen, dass der Apotheker dem Arzt Mietkostenzuschüsse oder andere Zuschüsse gewährleistet, damit diese sich in der nähe der Apotheke ansiedelt, können zu einer Strafbarkeit nach § 299 StGB führen. Eine solche Strafbarkeit liegt auf der Hand, wenn der Arzt gegen § 11 Abs. 1 AMG verstößt. Nach dem OLG Braunschweig reicht es aber nicht aus, dass der Arzt in die nähe der Apotheke zieht und ein erheblicher Teil der ausgestellten Rezepte in den Geschäftsräumen des Apothekers eingelöst werden ohne das konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arzt auf seine Patienten eingewirkt hat ihre Rezepte in der Apotheke des Vereinbarungspartners einzulösen oder gezielt dafür gesorgt hat, dass die von einer Apotheke zu fertigen Zytostatika überwiegend vom Vereinbarungspartner hergestellt wurden.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.02.2010, Az.: WS 17/10

Abbruch erbetener lebenerhaltender Behandlung

Keine Strafbarkeit bei Abbruch lebenserhaltender Behandlung auf der Grundlage des Patientenwillens

1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.

2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden.

3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich.

BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 -

Erlaubte Sterbehilfe

Erläuterung der Vorsitzenden Richterin zum Urteil des BGH v. 25.06.2010, Az.: 2 StR 454/09

Aus dem Artikel:
"..."Für eine erlaubte Sterbehilfe kommt es allerdings nicht mehr darauf an, ob ein dem Patientenwillen folgender Abbruch der Behandlung durch aktives Tun oder durch Unterlassen ausgeführt wird. Maßgeblich ist, dass die Handlungen erforderlich zur Umsetzung des Patientenwillens sind und im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung stehen." Der Patientenwille sei in jedem Fall verbindlich, gleichgültig, ob er schriftlich niedergelegt, mündlich geäußert oder durch nonverbales zum Ausdruck gebracht werde. ...
Ein Behandlungsabbruch sich nicht in bloßer Untätigkeit erschöpfe; "er kann und wird vielmehr fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen erfassen."

Artikel im Ärzteblatt

Gäfgen - Folterverbot

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Gäfgen - Folterverbot

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte erneute über den Fall Gäfgen zu entscheiden.

Ausgangspunkt war die Entführung des Bankierssohns im Jahre 2002 und die Umstände der Entdeckung der Leiche in diesem Zusammenhang. Der Beschwerdeführer ließ prüfen, ob die verantwortlichen Polizisten und somit Deutschland gegen Art. 3 (Verbot der Folter) und Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren) EMRK verstoßen haben und dadurch Beweisverwertungsverbote hätten greifen müssen.

Der EMGR verneinte eine Verletzung des Art. 6 EMRK, bejahte aber eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Als Begründung wird folgendes angegeben:

1. Eine Drohung mit körperlichen, erheblichen Schmerzen verursachender Gewalt ist unter der Berücksichtigung der Gesamtumstände eine verbotene unmenschliche Behandlung nach Art. 3 EMRK.

2. Die deutsche Gerichtsbarkeit hat den Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausdrücklich anerkannt. Zum Fortbestand der Opfereigenschaft führt der EMGR folgendes aus:

" Eine Entscheidung oder Maßnahme zugunsten des Beschwerdeführers reicht nicht Grundsätzlich aus, um ihm die Opfereigenschaft im Sinne von Artikel 34 der Konvention abzuerkennen, es sei denn, die innerstaatlichen Behörden haben die Konventionsverletzung ausdrücklich oder der Sache nach anerkannt und sodann Wiedergutmachung geleistet." Die Kammer bejaht die fortbestehende Opfereigenschaft unter anderem mit den milden Sanktionen gegen die verantwortlichen Polizeibeamten.

Hierzu aus dem Urteil:
"Auch wenn der Gerichtshof akzeptiert, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mit den hier zitierten Fällen vergleichbar ist, stellt er dennoch fest, da ss D.s anschließende Ernennung zum Leiter einer Polizeibehörde schwerwiegende Zweifel aufkommen lässt, ob die Reaktion der Behörden die Schwere eines Verstoßes gegen Artikel 3 - dessen er für schuldig befunden worden war - angemessen widerspiegelt."

3. Zu Art. 6 EMRK aus dem Urteil:
"Die Kammer stellte fest, dass Artikel 6 Absatz 1 und 3 nicht verletzt worden sei. Sie stellte fest, dass das Landgericht die Verwertung sämtlicher Aussagen, die der Beschwerdeführer den Ermittlungsbehörden gegenüber vor der Hauptverhandlung gemacht habe, wegen der Fortwirkung der verbotenen Vernehmungsmethoden in der Hauptverhandlung verboten habe. Das innerstaatliche Gericht habe jedoch einige Beweismittel, die als indirektes Ergebnis der dem Beschwerdeführer abgepressten Aussagen erlangt worden seien, verwertet. Die Kammer war der Auffassung, dass die starke Vermutung vorliege, dass die Verwertung von Beweismitteln, die als "fruit" eines Geständnisses gewonnen worden seien, das mit Artikel 3 verletzenden Mitteln abgepresst worden sei, einen Prozess in derselben Weise insgesamt unfair mache wie die Verwertung des abgepressten Geständnisses selbst. Unter den besonderen Umständen der Rechtssache sei jedoch das erneute Geständnis des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung die wesentliche Grundlage für seine Verurteilung gewesen. Andere Beweismittel, einschließlich der beanstandeten sachlichen Beweismittel, hätten lediglich eine Nebenrolle gespielt und seien nur verwertet worden, um den Wahrheitsgehalt dieses Geständnisses zu belegen.

4. Weiter heißt es:
"Die Kammer war nicht überzeugt davon, dass der Beschwerdeführer bei seiner Verteidigung keine andere Wahl gehabt habe, als in der Hauptverhandlung zu gestehen, weil die beanstandeten Beweismittel zugelassen worden seien."

Präimplantationsdiagnostik und Embryonenschutz

Präimplantationsdiagnostik und das Embryonenschutzgesetz
Im Zuge der momentanen Diskussion, angeregt durch die kürzliche Entscheidung des BGH (06.07.2010, Az.: 5 StR 386/09) möchte auch ich meinen Beitrag dazu tun.

Zunächst möchte ich aber etwas Hintergrundwissen aufbereiten
Was versteht man eigentlich unter Präimplantationsdiagnostik:
Präimplantationsdiagnostik kurz PID ist die Entnahme und Untersuchung einer Zelle eines durch Invitro-Fertilisation entstandenen Embryos vor der Übertragung in die Gebärmutter. Ziel ist der Transfer von Embryonen ohne ererbte Gendefekte (Pschyrembel, 260. Auflage). Das bedeutet, dass einer Frau durch eine Hormonbehandlung Eizellen entnommen wurden, welche sodann im Reagenzglas befruchtet werden, um dann das Erbgut nach Gendefekten zu untersuchen.
Die jetzt erlaubte Untersuchung des Erbgutes findet durch eine Blastozystenbiopsie statt.
Dem aus 40 bis 80 Zellen bestehenden (From-mel/Taupitz/Ochsner/Geisthövel Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2010, 96, 99) Blastozysten werden nicht mehr totipotente (vgl. Beier ZaeFQ 2002, 351, 354 ff.) Trophoblastzellen entnommen, die in einem späteren Stadium das (kindliche) Nährgewebe (Placenta) bilden, weswegen der Embryo(-blast) selbst nicht betroffen ist. (BGH, 06.07.2010, Az.: 5 StR 386/09)

Was sind die gesetzlichen Grundlagen (Gesetze, nichtamtlich, stammen von www.gesetze-im-internet.de):

1. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG
§ 1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,

2. § 2 Abs. 2 ESchG
§ 2 Mißbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen
(1) Wer einen extrakorporal erzeugten oder einer Frau vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnommenen menschlichen Embryo veräußert oder zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck abgibt, erwirbt oder verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

3. § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG
5. es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen,

4. § 8 Abs. 1 ESchG
§ 8 Begriffsbestimmung
(1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag.

5. § 3 ESchG
§ 3 Verbotene Geschlechtswahl
Wer es unternimmt, eine menschliche Eizelle mit einer Samenzelle künstlich zu befruchten, die nach dem in ihr enthaltenen Geschlechtschromosom ausgewählt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Dies gilt nicht, wenn die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren, und die dem Kind drohende Erkrankung von der nach Landesrecht zuständigen Stelle als entsprechend schwerwiegend anerkannt worden ist.

6. § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG
§ 15 Vorgeburtliche genetische Untersuchungen
(1) Eine genetische Untersuchung darf vorgeburtlich nur zu medizinischen Zwecken und nur vorgenommen werden, soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt beeinträchtigen, oder wenn eine Behandlung des Embryos oder Fötus mit einem Arzneimittel vorgesehen ist, dessen Wirkung durch bestimmte genetische Eigenschaften beeinflusst wird und die Schwangere nach § 9 aufgeklärt worden ist und diese nach § 8 Abs. 1 eingewilligt hat.

Was versteht man unter folgenden Begriffen:
1. Totipotent

In der Zellbiologie werden Zellen dann als totipotent bezeichnet, wenn sie in geeigneter Umgebung (Gebärmutter) noch zu kompletten Individuen heranwachsen können. Für die Entwicklung von Säugetieren, auch des Menschen, geht man davon aus, dass embryonale Zellen bis längstens zum 8-Zell-Stadium totipotent sind. In Experimenten mit Primaten ist es bislang jedoch nur in wenigen Fällen gelungen, aus einzelnen Zellen des Vierzellstadiums Tiere zu erzeugen. Die Blastozyste, bestehend aus einer inneren Zellschicht (Embryoblast) und einer äußeren Zellschicht (Trophoblast), stellt einen jungen aus wenigen Hundert Zellen bestehenden Zellhaufen dar, dessen innere Zellen wegen des Verlustes an Entwicklungspotenz nur noch pluripotent sind. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Totipotenz)

2. "Verwenden" zweckgerichteter Gebrauch

3. Embryoscoring Die Beobachtung des Embryos in seiner Entwicklung


Nun zur Entscheidung des BGH und seinen Auswirkungen

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Angeklagte ist Arzt und führte in den Jahren 2005 und 2006 an Patientinnen, welche alle genetisch vorbelastet gewesen sind eine PID durch. Dabei wurden, jeweils am Tag 5 nach der Befruchtung, eine Blastozystenbiopsie durchgeführt. Die dadurch entnommenen Zellen wurden anschließend mittels Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) auf Chromosomenaberrationen hin untersucht. Die positiv getesteten Embryonen wurden nicht weiter kultiviert. Jeweils ein negativ getesteter Embryonen wurde der Patientin eingesetzt. Nach der Durchführung zeigte er sich, um Rechtssicherheit zu bekommen selber an.

Die Entscheidungsgründe:
Dieser Sachverhalt wurde unter zwei Gesichtspunkten durch den BGH begutachtet. 1. Strafbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG und 2. § 2 Abs. 1 ESchG. Eine Strafbarkeit nach beiden Paragraphen wurde für diesen Sachverhalt nicht festgestellt.

Die Gründe zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG
Grundsätzlich tritt eine Strafbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr.2 ESchG nur ein, wenn "das Unternehmen der künstlichen Befruchtung nicht auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichtet ist." Im strafrechtlichen Sinne muss es dem Täter auf den Erfolgeintritt ankommen, weitere Beweggründe bzw. Nebenzwecke stehen dem Absichtserfordernis nicht entgegen. Auch kann die Erfolgsabsicht generell unter eine Bedingung gestellt werden. Dass bedeutet, dass eine Herbeiführung einer Schwangerschaft nur mit einem gesunden Baby, was wiederum die nicht Übertragung kranker Embryonen einschließt, nicht an der Erfolgsabsicht im generellen zweifeln lässt. Die Untersuchung der Embryonen war nur Zwischenziel, dass heißt, sie wäre nicht durchgeführt worden, wenn nicht die Absicht der Herbeiführung der Schwangerschaft bestanden hätte. Eine Ausschließlichkeit der Herbeiführung der Schwangerschaft ist durch § 1 Abs. 1 Nr.2 ESchG nicht normiert. Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung des Falles war aber auch, dass der Täter hier die Untersuchung an pluripotente Zellen durchgeführt hat. Denn eine "PID an totipotenten Zellen" ist gem. "§ 2 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 ESchG, jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG, eindeutig untersagt und mit Strafe bedroht." Durch die Entnahme von pluripotenten Zellen ist der Embryo selbst nicht betroffen und der Schutzzweck des ESchG wird nicht verletzt. Hinzu kommt der Einfluss und Gedankengang des Gesetzgebers im Hinblick auf § 3 Satz 2 ESchG. Die dort getroffene Werteentscheidung des Gesetzgebers lässt sich auf die hier vorgenommene PID zum Ausschluss von Erbkrankheiten übertragen, denn auch hier kann nur "der aus dem Risiko einer ... Erbkrankeit des Kindes resultierenden Konfliktlage der Eltern Rechnung getragen" werden. Auch im Hinblick auf die erlaubte schwangerschaftliche Untersuchung im Mutterleib nach Erbkrankheiten, welche bei positionen Befund bis zu den Eröffnungswehen zu einem straffreien Schwangerschaftsabbruch führen kann ist ein in der Gesamtschau der gesetzlichen Normierungen wichtiger Aspekt gewesen den Angeklagten frei zu sprechen.

Eine Strafbarkeit kann ferner auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG geschlussfolgert werden. "Denn der Gesetzgeber hat die Problematik" der PID "ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgenommen."

- Leider nimmt der BGH zu dem Stichtagsprinzip des § 15 Abs. 2 GenDG keine Stellung. Denn auch in diesem Paragraphen hat die Gesetzgebung wie auch schon Gerichte eine Strafbarkeit oder Erfüllung von dem Eintritt eines Tages abhängig gemacht. Der 18. Geburtstag ist anscheinend sowohl für Gesetzgebung als auch Gerichte ein besonderer Tag andem festgemacht werden soll ob z.B. eine Kostenübernahme oder eine Strafbarkeit erfolgen kann bzw. soll. Es bleibt abzuwarten, wann Gerichte und Gesetzgeber von dieser Stichstagsproblematik endlich Abstand nehmen und in jedem Einzelfall den Erfolgseintritt von einer Einzelfallentscheidung und somit Gesamtbetachtung abhängig machen.-

Bei der durch den BGH vorgenommenen Interpretation hat dieser sich auf die "Durchführung der Untersuchung auf schwerwiegende genetische Schäden zur Vermeidung der genannten gewichtigen Gefahren im Rahmen der PID" beschränkt. Das bedeutet, dass dieses Urteil kein Freibrief für sogenannte "Designerbabies" ist!!!

Die Gründe zu § 2 Abs. 1 ESchG
"Die durch den Angeklagten vollführten Zellentnahmen stellten kein "Verwenden" der Embryonen dar." Die Vorschrift wurde nicht als Auffangtatbestand geschaffen sondern mit dem Gedanken, "dass menschliches Leben grundsätzlich nicht zum Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden darf." Dass heißt, dass der Gesetzgeber beispielsweise eine Embryonenforschung oder die abspaltung totipotenter Zellen verhindern wollte. Der BGH geht in seiner Entscheidung noch einen Punkt weiter und versteht unter "Verwenden" auch das Embryoscoring und das betrachten von Embryonen unter dem Lichtmikroskop zum Zwecke morphologischer Untersuchungen.
- Damit stellt der BGH das betrachten von Embryonen unter dem Lichtmikroskop unter Strafe. Gründe für diese Auslegung bzw. Interpretation nennt der BGH nicht, obwohl er mit dieser Einschätzung einen Einschnitt in die Fortpflanzungsmedizin macht. Dieses Betrachten ist für den Embryo ohne Folgen und invasiv. Es soll nur dazu dienen, dass Mehrlingsschwangerschaften, welche immer ein erhöhtes Risiko für die Föten und die Mutter darstellen, verhindert werden. Laut deutschen IVF-Register mit Stand vom 04.09.2009 liegt die Chance von Mehrlingsschwangerschaften bei durchschnittlich 25 %, wobei es bei allen Verfahren eine prozentuale Steigerung gab. Diese Steigerung kann unter anderem daran liegen, dass die gesetzliche Krankenkasse maximal die hälfte der Kosten übernimmt. Denn eine künstliche Befruchtung ist für die betroffenen Paare nicht nur pyschisch belastend, für die Mutter darüber hinaus durch die Hormonbehandlung auch äußerst physisch belastend, sondern mit jeder neuen Behandlung steigt auch die finanzielle Belastung. Um möglichst wenige Anläufe bis zur Schwangerschaft und schließlich Geburt eines gesunden Kindes zu benötigen lassen sich die Frauen häufig alle 3 möglichen Embryonen einpflanzen, was dann zu dem erhöhten Mehrlingsrisiko führt. Würde man nun die Embryonen vor Übertragung in den Mutterleib dieser Beobachtung unter dem Lichtmikroskop unterziehen, könnten die Embryonen mit keiner oder nur geringer Lebensfähigkeit bzw. überzählig sind liegen lassen und nicht weiter kultivieren. Es würde nur ein Embryo Übertragen werden. Das Gesundheitsrisiko wäre demnach für die Mutter und den Fötus erheblich verringert. Eine wirkliche und vorzunehmende Abwägung hat der BGH also nicht vorgenommen. Es bleibt demnach zu hoffen, dass wiederum ein Arzt den Mut hat diese Methode vorzunehmen und sich danach selbst anzuzeigen, damit sich die Gerichte erneut mit dieser Frage beschäftigen müssen und dann auf der Grundlage des heutigen Stand der Technik und unter Abwägung der Rechtsgüter.-

Auch das nicht weiter kultivieren der Embryonen mit positiven Befund stellt keine Verletzung des § 2 Abs. 1 ESchG dar. Der BGH hat das stehen und Absterben lassen der Embryonen dabei als Unterlassen qualifiziert und die äußert interessante Frage aufgeworfen, ob der Arzt eine Garantenstellung gegenüber dem Embryo hat. Leider geht er nicht näher auf diese Frage ein, denn der Arzt hätte die Embryonen nicht gegen den Willen der Mutter in deren Gebärmutter übertragen dürfen. Eine Pflicht zur Kryokonservierung leitet sich aus dem ESchG ebenfalls nicht ab. (Mit der Frage, ob ein Arzt gegenüber einem Embryo einen Garantenstellung hat, möchte ich mich, aufgrund der Fülle dieses Beitrages, in einem neuen Beitrag widmen.)

Brechmitteleinsatz und Haftung des Arztes

Zur Verantwortlichkeit eines im Beweissicherungsdienst tätigen Arztes für tödlich verlaufenen Brechmitteleinsatz gegen Drogen-Kleindealer

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Angeklagte war als die Zwangsmaßnahme ausführender Arzt zu einer verantwortlichen Prüfung der rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen jenseits der Beurteilung der medizinischen Risiken allenfalls in dem Maße verpflichtet, als er an einer erkennbar willkürlich angeordneten Zwangsmaßnahme nicht teilnehmen durfte (vgl. Birkholz/Kropp/Bleich/Klatt/Ritter Kriminalistik 1997, 277, 278).

Dass der Angeklagte nach Bergung der ersten Kokainkugel weiter gehandelt hat, obwohl nunmehr die Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG - zumal bei Kenntnis der Polizeibeamten von der Anzahl der Schluckbewegungen des Verdächtigen C. - aufgeklärt war; schon deshalb lagen die Voraussetzungen für eine weitere Inanspruchnahme der Eilkompetenz offen-sichtlich nicht mehr vor, und die Maßnahme war ab diesem Zeitpunkt wegen leicht erkennbarer Unverhältnismäßigkeit unzulässig.
Die für die ärztliche Berufsausübung wesentliche Aufklärungspflicht (§ 8 BO für Ärztinnen und Ärzte des Landes Bremen vom 30. Juni 1997, ABl. S. 479) ist auch von dem Arzt zu erfüllen, der eine Zwangsmaßnahme gemäß § 81a StPO vorzunehmen hat (Kohlhaas NJW 1968, 2277, 2278), falls der Betroffene hierdurch in die Lage versetzt wird, den hinzunehmenden Eingriff schonender zu gestalten. Fahrlässig schuldhaftes Handeln kommt unter diesem Aspekt bei demjenigen Arzt in Betracht, der eine Tätigkeit vornimmt, obwohl er weiß (bewusste Fahrlässigkeit) oder erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit), dass ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse fehlen (BGHSt 43, 306, 311; BGH JR 1986, 248, 250; NJW 1979, 1258, 1259). Das sich aus § 7 Abs. 1 BO ergebende Gebot gilt für "jede medizinische Behandlung" und umfasst demnach auch die von Ärzten ausgeführten Zwangsmaßnahmen gemäß § 81a Abs. 1 StPO.

BGH, Urt. v. 29.04.2010 Az.: 5 StR 18/10

Zeugnisverweigerungsrecht einer Krankenschwester

Zeugnisverweigerungsrecht einer Krankenschwester

Aus den Entscheidungsgründen:
"... Einem Arzt stehen gem. § 53a Abs. 1 StPO seine Gehilfe und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, da ansonsten der erstrebte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt durch die Vernehmung der Hilfspersonen des Arztes umgangen werden könnte. ...

Wie sich allerdings aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, erstreckt sich das Recht zur Zeugnisverweigerung nicht auf Tatsachen, von denen der Arzt bzw. dessen Gehilfe zwar bei Gelegenheit der Berufsausübung erfahren hat, nicht aber in seiner Eigenschaft als Arzt/Gehilfe.
Deshalb ist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht anzuerkennen, soweit es sich um Informationen handelt, die weder im funktionalen (inneren) Zusammenhang mit der ärztlichen/pflegerischen Tätigkeit noch im Zusammenhang mit diesem Vertrauensverhältnis stehen. ..."

OLG Hamm, Beschluss v. 20.01.2009 Az.: 5 Ws 24/09